Rotmilane beim abendlichen Thermikkreisen am westlichen Waldrand des Rappenecks

Juni 2021
Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Recht der Öffentlichkeit auf Umweltinformationen

Die Auflage des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis, wonach die Artenschutz­gutachten des Investors der geplanten Windkraftanlagen bei Rohrbach und Linach ausschließlich zum internen Gebrauch der Bürgeriniative Gegenwind Oberes Bregtal bestimmt seien und insbesondere eine Veröffentlichung sowie eine Weiterreichung an Dritte nicht erfolgen dürfe wurde gerichtlich aufgehoben.

Der Position des Landratsamts, dass es keinen Einfluss der Öffentlichkeit auf ein laufendes Verwaltungsverfahren haben möchte, ist das Verwaltungsgericht Frei­burg mit bemerkenswerter Deutlichkeit entgegengetreten.

Zum Hintergrund
Mai 2019: Landratsamt verweigert Einsicht in Artenschutzgutachten des Investors Im Herbst 2016 hatte das zuständige Entscheidungsgremium von Sachbearbeitern des Landratsamtes Schwarzwald-Baar (LRA) und des Regierungspräsidiums Frei­burg die Genehmigung für die beiden Windparks, die auf dem Rappeneck und dem Linacher Rücken versagt. Grund war vor allem das Vorkommen von Milanen und Bussarden an den geplanten Standorten. Dem Investor wurde jedoch die Chance eingeräumt, im folgenden Jahr ein weiteres Gutachten erstellen zu lassen (Schwarzwälder Bote 12.10.2016).
Gleichzeitig beauftragten die Städte Furtwangen und Vöhrenbach die bisher täti­gen Gutachter ihre Untersuchungen fortzusetzen. Die drei Gutachten wurden im vergangen Sommer fertig gestellt.
Die Initiative Gegenwind beantragte im Juli 2018 nach §24 ff des Umweltverwal­tungs­gesetzes (UVwG) Einsicht in die Gut­achten, der das LRA im Oktober nur zum Teil entsprach und ausschließlich die städtischen Gutachten freigab.

Schwerwiegende Bedenken der städtischen Gutachter
In diesen Gutachten wurden erhebliche Bedenken gegen die Errichtung der Windparks auf den geplanten Standorten geäußert (Gutachter zum Standort Linacher Rücken: “Aufgrund der Vielzahl an Überflügen durch Rotmilan und Wespenbussard ergibt sich eine starke Gefährdung der beiden Arten durch den Bau und Betrieb der Windenergieanlagen und somit ein möglicher Verbotstat­bestand nach § 44 f BNatSchG.” Gutachter zum Standort Rappeneck: “... kommen wir aus gutachterlicher Sicht zu dem Ergebnis, dass die Genehmigungsfähigkeit der geplanten Windenergieanlagen aus naturschutzfachlicher Sicht ernsthaft in Frage zu stellen ist.”).

Urheberrechte vs Anspruch der Öffentlichkeit auf alle Umweltinformationen
Der Einblick in das Gutachten des vom Investor beauftragten Büros wurde hingegen verwehrt. Zur Begründung verwies das LRA darauf, dass der Investor für sich und das Büro Urheberrechte beansprucht, die einer Veröffentlichung ent­gegen stünden. Da an dem Genehmigungsverfahren für die Windparkstand­orte ein hohes Interesse der Öffentlichkeit besteht und die Artenschutzgutachten eine wesentliche Grundlage für den Entscheidungsprozess bilden, legte die Bürger­initiaive Gegenwind Dezember 2018 Widerspruch gegen den Bescheid des LRA ein. Anfang Februar 2019 wurde der Widerspruch vom LRA abgewiesen und der Vorgang dem Regierungspräsidium Freiburg mit der Bitte um Entscheidung übersandt. Das Regierungspräsidium hat sich der Argumentation der BI ange­schlossen und Ende März das Landratsamt aufgefordert, dem Widerspruch abzuhelfen, d.h., dem Antrag der BI auf Zugang zu allen Umweltinformationen stattzugeben.

Einsicht in Investor-Gutachten genehmigt - aber kein Zugang der Öffentlichkeit?
Im Juni 2019 hat das LRA die Anordnung getroffen, dass die Initiative Gegenwind Oberes Bregtal das infrage stehende Gutachten zur Einsicht erhält. Allerdings hat Gegenwind die Auflage bekommen, dass die Unterlagen von der BI vertraulich zu behandeln sind (Zitat: “… wird die Bewilligung Ihres Antrags verbunden mit der Auflage, dass die zugänglich gemachten Unterlagen ausschließlich zum eigenen internen Gebrauch der Widerspruchsführerin bestimmt sind. Insbesondere darf eine Veröffentlichung, etwa durch Einstellung ins Internet oder in Social-Media-Plattformen, sowie eine Weiterreichung an Dritte nicht erfolgen.“)
Die Begründung dafür ist allerdings verblüffend (Zitat):
„... Es soll vermieden werden, dass durch eine etwaige öffentliche Diskussion der Gutachteninhalte versucht werden könnte, auf die noch ausstehende verwaltungsrechtliche Entscheidung der unteren Immissionsschutzbehörde über die Zulässigkeit der Errichtung der Windenergieanlagen Einfluss zu nehmen oder die Entscheidungs­findung zu erschweren."

Klage gegen den Bescheid
Auf der einen Seite konstatiert das LRA, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe des Gutachtens überwiege, auf der anderen Seite soll aber eine öffentliche Diskussion unterbunden werden. Das Zustandekommen einer öffent­lichen Diskussion ist aber auch das erklärte Ziel des zugrunde liegenden Gesetzes (§24 ff UVwG). Es sollen alle umweltrelevanten Informationen der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, um eine Diskussion zu ermöglichen, so dass auch eine Behörde aufgrund von möglicherweise kritischen Stellungnahmen zu einer möglichst richtigen Entscheidung gelangt. Aus diesem Grund reichte Gegenwind Oberes Bregtal im Juli 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg gegen den Bescheid des LRA ein.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. Juni 2021

"Die in dem Bescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 29.05.2019 verfügte Auflage, wonach die ökologischen Fachberichte vom 16.01.2018 und vom 14.03.2018 ausschließlich zum eigenen internen Gebrauch der Klägerin bestimmt seien und insbesondere eine Veröffentlichung sowie eine Weiterreichung an Dritte nicht erfolgen dürfe, wird aufgehoben."

lnformationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt
Die Position des Landratsamts, dass es keinen Einfluss der Öffentlichkeit auf ein laufendes Verwaltungsverfahren haben möchte, hat das Verwaltungsgericht eindeutig verworfen, (Zitat):
"... Insofern hat das Landratsamt in der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgeführt, es solle eine möglichst vertrau­liche Behandlung der wissenschaftlichen Erhebungen gewährleistet und vermie­den werden, dass durch eine etwaige öffentliche Diskussion der Gutachteninhalte versucht werden könne, auf die noch ausstehende verwaltungsrechtliche Ent­scheidung der Unteren lmmissionsschutzbehörde über die Zulässigkeit der Errich­tung der Windenergieanlagen Einfluss zu nehmen oder die Entscheidungsfindung zu erschweren.
Dies ist schon im Ansatz verfehlt. Die Intention des Gesetzgebers besteht gerade darin, die Information der Öffentlichkeit über Umweltinformationen zu fördern, um eine sachkundige öffentliche Diskussion überhaupt erst zu ermöglichen.
Eine Geheimhaltung mit dem Ziel, etwaige öffentliche Diskussionen der Gutachteninhalte zu vermeiden, widerspricht damit dem Gesetzeszweck sowie demokratischen Grundsätzen. Gerade wenn eine Frage Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen ist, begründet dies im Gegenteil ein besonderes öffentliches Interesse an Informationen zu dieser Frage. ..."

Diese Entscheidung ist sicher nicht nur für diesen speziellen Fall von Bedeutung, sondern sie hilft auch vielen anderen Bürgern und Initiativen, die sich informieren bzw. einmischen möchten, wenn es um umweltrelevante Behördenent­schei­dun­gen geht.

Das vollständige Urteil kann auf der Webseite des Verwaltungsgerichts Freiburg eingesehen werden.



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Bürgerinitiative Schwarzwald Vernunftkraft
Regionalgruppe Gegenwind Oberes Bregtal