Infraschall aus Windenergieanlagen - ein Risiko für die Gesundheit

Prof. Dr. Werner Roos
Pharmazeutischer Biologe
Titisee-Neustadt

Mit dem Ausbau der Windenergie werden große Landschaftsbereiche mit Indus­trieanlagen bisher unbekannter Dimension überformt. Neben den unüberseh­baren Folgen für Landschaft, Landschaftserleben und Artenvielfalt werden die Anwohner zunehmend mit dem Gesundheitsrisiko durch Schallemissionen konfron­tiert. Die größte Gefahr geht von nicht hörbaren Infraschall-Pulsen aus.

1. Welchen Schall emittieren Windkraftanlagen (WKA)?

1.1. Hörbarer Schall (> 16 Hz)
entsteht beim Durchschneiden der Luft durch die Rotorflügel (bei aktuellen Anla­gen erreichen die Rotorspitzen über 300 km/h) und als Maschinengeräusch der Turbine. Dieser wird als Lärm wahrgenommen und kann bei längerer Einwir­kung bekannte Stresswirkungen auslösen, vor allem Schlafstörungen, Bluthoch­druck, Gehörschäden und Herz-Kreislauf-Probleme. Vor diesen Gefahren sollen in Deut­schland die Vorschriften der TA Lärm schützen (1). Diese legen Obergrenzen für Wohngebiete von 50 dB (tags) und 35 dB (nachts) fest. Die jüngste Lärm-Emp­fehlung der WHO (2) ist mit diesen Werten nicht direkt vergleichbar: inner­halb von 24 h soll ein Mittelwert von 45 dB nicht überschritten werden, wobei Abend- und Nachtstunden höher gewichtet sind. Diese Empfehlung erhielt jedoch wegen unzureichender Studien-Daten keine hohe Dringlichkeit. Die Einhaltung der Grenz­­werte für Hörschall kann meist keine gesundheitlich vertretbaren Sicher­heitsabstände begründen, weil der nicht hörbare Schall deutlich weiter reicht und kaum geringere Gesundheitsprobleme verursacht. Der wahrnehmbare Lärm kann durch technische Maßnahmen reduziert werden, etwa durch eine optimale Ein­stellung der Turbine und der Rotorflügel. Er ist dämmbar, d.h., er wird wie be­kannt durch natürliche Hindernisse und bauliche Maßnahmen (Fenster, Mauer, Dach etc.) verringert.

1.2. Infraschall (< 16 Hz)
Infraschall ist eine unhörbare Emission von WKA, deren Gefahrenpotential oft unterschätzt wird. Wenn ein Rotorflügel den Mast passiert (etwa einmal pro Sekunde), entsteht durch Kompression der Luft ein Druckstoß. Der Betrieb dieser WKA erzeugt deshalb periodische Pulse des Luftdrucks mit einer Grundfrequenz von etwa 1 Hz. Hinzu kommen Oberschwingungen (von Akustikern als "Flügelhar­monische" bezeichnet), deren Maxima vorwiegend im Bereich bis etwa 6 Hz auftreten (Abb. 1, Abb. 2).

Abb.1: Frequenz-Peaks des Infraschalls aus zwei WKA, gemessen mit Mikrobarometer 

Grüne Linie: außerhalb des Gebäudes, Grundfrequenz der Rotoren bei ca 0,7 Hz und sechs deutliche Peaks der Oberschwingungen bis ca 6 Hz (BPF: blade pass frequency)
Rote Linie: gleiche Messung im Haus. Die Gesamtintensität sinkt, da Hintergrundgeräusche gedämpft werden, nicht aber die Intensität der Infraschall-Peaks.
Schwarze Linie: Hintergrundrauschen bei ausgeschalteter Anlage.
Windanlagen: Fa. Vestas, 1,65 MW, Entfernung 421 m und 792 m.
Quelle: Firma NOISE CONTROL ENGINEERING, LLC, Billerica, MA 01821, USA: Infrasound Measurements of Falmouth Wind Turbines Wind #1 and Wind #2.
Technical Memo 2015 004.

Abb.2: Ein typischer Infraschall-Puls von einer WKA

Die von WKA ausgehenden Infraschall­pulse schwanken mit Windgeschwin­dig­keit und Drehzahl und werden von Hinter­grundschall und Geräuschen im hörbaren Bereich überlagert. Um sie unabhängig von diesen Störquellen darzustellen, kann man entweder vom Frequenzmuster der Anlage ausgehen oder den gemeinsamen Anteil in einer großen Zahl von Umlauf-Perioden ermitteln.

Für das gezeigte Bei­spiel wurde der Schall­druck im Abstand von 420 m von einer WKA mit 1,5 MW Nominalleistung mit einem Mikrofon aufgezeichnet. Die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Flügelpassagen betrug ca. 1,1 s (Grundfrequenz der Rotoren ca. 0,9 Hz). Die Kurven visualisieren den zeitlichen Druckverlauf während einer Flügelpassage. Der emittierte Infra­schallpuls besteht zunächst aus einem kurzzeitigen Überdruck (Kompression der Luft bei der Annähe­rung des Flügels an den Turm), dem ein kurzzeitiger Unterdruck folgt (Sog nach der Passage des Turms).
Der zeitliche Druckverlauf im Infraschallbereich wurde durch die o.g. Methoden ermittelt. Blaue Linie: extrahiert aus den Oberschwingungen des Schall-Spektrums der Anlage im Bereich bis 10 Hz durch ein mathematisches Verfahren (Fourier-Transformation). Rote Linie: kohärente Überlagerung des Druckverlaufs von ca. 4000 Passagen.
Die übereinstimmenden Zeitkurven belegen die starke Periodizität des emittierten Infraschalls. Quelle: Vanderkooy, J., Mann, R.: Measuring Wind Turbine Coherent Infrasound. 6th International Conference on Wind Turbine Noise, Glasgow 2015.

Diese Emissionen gehören zum Frequenzbereich des Infraschalls, der unterhalb von 16 Hz liegt. Die entsprechenden Wellenlängen reichen von ca. 50 m bis über 300 m. Infraschall wird von Menschen nicht gehört und daher zunächst nicht als Gefahr bewertet. Er gelangt jedoch unabhängig vom Hörvorgang ins Gehirn und beeinflusst dort unbewusste Gehirnfunktionen (s.u.). Erst bei extremen Schall­pegeln von über 100 dB wird Infraschall direkt wahrnehmbar, etwa als Vibration auf der Haut; stärkere Intensitäten erreichen bald die menschliche Schmerz­gren­ze. Wegen der großen Wellenlängen ist Infraschall praktisch nicht durch Bauwerke oder Schallschutz-Maßnahmen dämmbar.
Gegenwärtig gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, die vor Infraschall aus WKA schützen, da der Geltungs­bereich der TA Lärm bei 8 Hz endet (1).

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2. Wie groß ist die Reichweite von Infraschall aus WKA?

Infraschall hat in Luft eine weitaus größere Reichweite als Hörschall. Die Bundes­anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat z.B. die Emission von WKA mit einer nominellen Leistung von 1,5 MW und 5 MW noch in mehr als 10 km sicher erfasst (Abb.3), (3).

Abb. 3: Infraschall-Inten­sität in Abhängig­keit von der Ent­fernung zur WKA

Es ist die Intensi­tät eines Infra­schall-Peaks (2. Oberschwingung, Frequenz im Bild angegebenen) bei zunehmendem Ab­­stand von der WKA dargestellt. Die Messdaten wurden an WKA mit einer Nomi­nal­leistung von 1,2 MW und 1,8 MW (in rot) und 2 MW und 2,6 MW (in grün) erhalten.
SPL: Schalldruckpegel in Dezibel. Graues Band: Hintergrundrauschen bei 1-3 Hz. Es ist erkennbar, dass in mindestens 10 km Entfernung ein sicherer Nachweis erfolgte. In 2 km Entfernung (Pfeil) treten Schalldrücke nahe 75 Dezibel auf.
Quelle: Abb. 7 vereinfacht, aus: Pilger Ch., Cerrana L. (2017) The influence of periodic wind turbine noise on infrasound array measurements. J Sound Vibration 388, 88–200.

Wesentlich ist, dass in der aus medizinischer Sicht kritischen Entfernung von ca.
2 km Schalldrücke von über 70 dB auftreten. Im hörbaren Bereich entspricht das starkem Verkehrslärm. Infraschall wird nicht nur durch Luft, sondern auch im Untergrund über große Entfernungen transportiert. Infraschall-Signale in der Erdkruste werden seit langem zur Erdbeben-Warnung sowie zur Kontrolle von Kernexplosionen lt. Kernwaffen-Sperrvertrag gemessen. Für die seismischen Messstationen gilt ein Mindestabstand zu WKA von 10 km. In weit entfernten Gebäuden treten Infraschall-Wellen, etwa aus WKA, oft als "Körperschall" auf. Dies bezeichnet Vibrationen des Baukörpers, die luftgeleiteten Infraschall ver­stärken können. In Kombination mit gleichzeitig einwirkendem Körperschall kann luftgeleiteter Infraschall in Gebäuden schon bei geringer Intensität gesund­heit­liche Beeinträchtigungen auslösen. Dies ist auch aus der Luft- und Raumfahrt bekannt.

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3. Infraschall ist unhörbar und nicht wahrnehmbar. Warum stellt Infraschall aus WKA trotzdem ein Gesundheitsrisiko dar?

Infraschall, d.h. Schallereignisse im Frequenzbereich unter 16 Hertz, ist ein nor­maler Bestand­teil unserer Umwelt und wird oft zusammen mit nieder­fre­quentem Hörschall emittiert. Natürliche Quellen sind z.B. die Meeresbrandung und der Wind in einer Gras- oder Waldlandschaft. Diese Emission ist ungefährlich, da sie als niederfrequentes Rauschen auftritt. Die technische Zivilisation hat zahlreiche Infraschall-Generatoren geschaffen, etwa durch den Straßenverkehr, Flugzeug­triebwerke, große Industriemaschinen, vibrierende Haushaltstechnik etc. Deren Emission kann bei hohem Puls-Anteil und längerer Einwirkung durchaus eine Gesundheitsgefahr begründen.

Der Infraschall aus WKA unterscheidet sich von dem aus anderen Quellen, da er wie oben erklärt in Form rhythmischer Pulse im Frequenz­bereich von ca. 0,5 bis etwa 6 Hz abgestrahlt wird (Abb. 1, Abb. 2). Dieser gepulste Infraschall löst bei empfindlichen Men­schen erhebliche Gesundheitsstörungen aus, weit unterhalb einer Hör- oder Wahr­nehmungsschwelle.
Die primäre Wirkung (meist beschrieben nach mehrtägiger Exposition) besteht in Schlafstö­rungen, verminderter Atemfrequenz, Angst- und Schwindelanfällen, begleitet von Änderungen der Gehirnströme im EEG (4 - 6). Bei anhaltender Einwirkung (Wochen) entsteht im Gehirn eine permanente Alarmsituation, die als Anstieg des Stresshormons Cortisol nachgewiesen werden kann. Sie führt zu psychischer Labilität, verminderter Sauerstoffversorgung und Anpassungsfähigkeit des Herzens, Blutdruckanstieg und erhöhtem Risiko von Herzinfarkten. Infraschall-ausgelöste Gesundheitsstörungen wurden von Ärzten aus verschiedenen Ländern und Standorten erhoben und sind durch eine Vielzahl von Betroffenen belegt (4 - 9). Ca. 15 % - 30 % der exponierten Personen gelten als gefährdet; es ist noch unklar, ob bei längerer Einwirkung mit weiteren Betroffenen zu rechnen ist. (Zum Vergleich: die Häufigkeit von Diabetes liegt bei ca 10 % und von Demenzerkran­kungen bei ca 7 % der deutschen Gesamtbevölkerung.)

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4. Was verändert Infraschall in unserem Organismus?

4.1 Was verändert Infraschall in unserem Gehirn?
Der Weg des Hörschalls in unser Gehirn ist seit langem bekannt. Im Innenohr erreicht er die Hörschnecke (Cochlea), wo er eine Reizung der Inneren Haarzellen auslöst. Diese Information wird über den Hörnerv in den auditiven Cortex der Hirnrinde - das Hörzentrum - geleitet und damit zum Inhalt unseres Bewusstseins.

Wirkungen von Infraschall im menschlichen Gehirn wurden erst in den letzten Jahren eingehend erforscht. Untersuchungen an Versuchstieren und Befunde an exponierten Personen sprechen dafür, dass Infraschall nicht die inneren, sondern die äußeren Haarzellen in der Cochlea stimuliert. Diese lösen selbst keine bewus­ste Wahrnehmung im Gehirn aus, erhöhen jedoch die Empfindlichkeit für gleich­zeitig vorhandenen Hörschall, etwa sehr leise Geräusche. Vor allem versetzt Infra­schall größere Gehirnbereiche in Schwingungen. Dies führt u.a. zur Stimu­lierung des Gleichgewichtsorgans und erklärt die bekannten Ähnlichkeiten mit der See­krank­heit.

Ein wesentlicher Fortschritt bei der Suche nach Infraschall-aktivierten Regionen des Gehirns gelang 2017 Wissenschaftlern aus der Charité Berlin, dem Eppendorf-Klinikum Hamburg und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig (14, Abb. 4).

Abb. 4: Aktivierung bestimmter Gehirnbereiche durch Infraschall

a) Rechter oberer Schläfenlappen: neben der primären Hör-Rinde, beteiligt an Stimmerkennung








b) Anteriores Cingulum (ACC): autonome Kontrolle von Herz­frequenz, Blutdruck, Konfliktreaktionen








c) Rechte Amygdala: emotionale Kontrolle von Angstreaktionen, Abwehr äußerer Gefahr Fluchtreflex






Mit einem bildgebenden Verfahren, der funktionellen Magnetresonanz-Tomographie, wurden im Gehirn von Testpersonen drei Regionen gefunden, die nach Einwirkung von Infraschall (12 Hz, 200 Sekunden) unterhalb ihrer Hörschwelle eine Aktivierung zeigten. Diese sind in Gelb/Orange darge­stellt und rechts benannt, zusammen mit ihren wesentlichen Funktionen. Die Aktivierung aller Berei­che verschwindet, wenn das Schallsignal für die Testperson hörbar wird. Vor dem Test wurde die individuelle Hörschwelle bestimmt.
Quelle: Weichenberger et al. (13), vereinfachte Darstellung.

14 Versuchspersonen reagierten auf Infraschall-Signale von nicht hörbarer Inten­sität mit der Aktivierung von drei Gehirnregionen. Diese liegen a) in der Nähe des Hörzentrums, was die o.g. Beeinflussung von Höreindrücken erklärt, b) in der ACC-Region, in welcher Reaktionen der Konfliktbewältigung und der autonomen Kontrolle (z.B. von Blutdruck und Herzfrequenz) stattfinden, und c) in der Amy­gdala-Region, die für die Verarbeitung von Emotionen, Angst und Fluchtreflexen bekannt ist. Die Aktivierung aller drei Regionen verschwand, wenn die Signalstär­ke die Hörschwelle überschritt, also der Testperson bewusst wurde. Diese Daten bestätigen, dass die Wahrnehmung von Infraschall außerhalb des Bewusstseins erfolgt und im Gehirn andere Wege nimmt als hörbare Signale. Damit wird auch das Fehlen eines Gewöhnungs-Effekts (Desensibilisierung) verständlich. Die be­kann­ten Funktionen der durch Infraschall aktivierten Gehirnregionen (Abb. 4) erklären die medizinisch festgestellte Stress-Situation von Infraschall-Geschä­digten: die erwähnten Wirkungen auf Blutdruck, Herzfrequenz und Atmung, die Entstehung von Schlafstörungen und der Anstieg des Stress-Hormons Cortisol werden bestätigt, ihre Beteiligung an den durch WKA ausgelösten Erkrankungen wird unterstrichen.

4.2 Infraschall-Wirkungen auf Zellen des Herzmuskels
Seit einiger Zeit wird vermutet, dass Infraschall-Wellen auch die Funktion von Muskel­zellen negativ beeinflussen können. Wissenschaftler der Universitäts­medizin Mainz haben dafür vor kurzem einen experimentellen Beleg erbracht. Isolierte Zellen des menschlichen Herzmuskels wurden so präpariert, dass ihre Kontraktion unter dem Mikroskop gemessen werden konnte. Nach Einwirkung von Infraschall verringerte sich die Kontraktionskraft um bis zu 20 %. Auch wenn diese Labormessungen (noch) nicht mit voll funktionstüchtigen Zellen durchge­führt wurden, ist die Störung der Leistung des Herzmuskels durch Infraschall grund­sätzlich erkennbar (14).

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5. Was wird seitens der Politik bzgl. der Infraschallproblematik unternommen ?

Infraschall und Energiepolitik - Gesundheitsrisiko und Behörden
Die medizinischen Befunde und die wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre belegen in der Gesamtschau ein konkretes Gesundheitsrisiko durch Infraschall aus WKA. Auf Grund von Artikel 2 unserer Verfassung müssen Bürger vor dieser Emission ausreichend geschützt werden. Dies ist seit langem der Standpunkt unabhängiger Ärzte und Ärztevereinigungen. Bekannte Publikationen deutscher Ärzte stammen z.B. vom Ärzteforum Emissionsschutz aus Bad Orb, der Ärzte­kammer Niedersachsen (AEFIS) und zahlreichen Praxis-Ärzten (10 - 12). Vor den Gesundheitsgefahren durch Infraschall aus WKA schützt nur ein ausreichender Abstand. Es ist z.B. belegt, dass die Häufigkeit von Schlafstörungen und Schwin­del-Anfällen mit zunehmendem Abstand zur nächstgelegenen WKA absinkt (9, Abb.5).
Die Ärzte fordern zum Schutz exponierter Menschen einen Mindest­ab­stand von WKA zu Wohnhäusern in der 10 fachen Anlagenhöhe, bei Gesundheits­einrich­tungen in 15 facher Anlagenhöhe. Diese sogenannte 10xH - Regel wird in Bayern angewandt und gilt seit 2015 auch in Polen. In Großbritannien sind 3000 m, in den USA 2500 m Abstand vorgeschrieben, die bei heutigen Anlagen dem 10xH Abstand nahekommen. In den anderen Bundesländern lehnt die Landes­regierung die 10xH Regel vehement ab; es existieren unterschiedliche Richtwerte für Wohn­gebiete (von etwa 600 m - 1000 m) und noch geringere Abstände für Anwohner im Außenbereich. Zur Begründung wird verbreitet, größere Abstände würden die Energiewende gefährden. Diese Haltung ist angesichts der unbestreitbaren Ge­sund­heitsrisiken der WKA und ihrer fehlenden Effizienz nicht länger verantwort­bar.
Die medizinische und naturwissenschaftliche Forschung wird in Zukunft weitere Details und offene Fragen zur biologischen Wirkung von Infraschall aufklären. Hierzu gehören z.B. die Ursachen für die individuell unterschiedliche Empfindlich­keit exponierter Personen. Unklar ist auch, ob die an Weidetieren in der Nähe von WKA beobachtete Neigung zu Früh- und Fehlgeburten eine Wirkung des Infra­schalls dieser Anlagen ist und Schutzmaßnahmen für Menschen erforderlich macht (16).

Von der Bundesregierung, Landesregierungen und der Windindustrie werden die Gesundheitsgefahren des Infraschalls aus WKA meist verharmlost oder ignoriert. Sie stützen sich dabei auf Landesuntersuchungsämter, deren Messungen hinter den international führenden Einrichtungen, Techniken und Regularien zum Nach­weis von Infraschall zurückbleiben. Ein Beispiel für die Versuche, unzureichende Messungen zur Beruhigung von bedrohten Bürgern zu benutzen, ist die Publika­tion des "Landesamtes für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Würt­temberg" (LUBW) vom Februar 2016 (15). Diese Studie kommt - wie ähnliche, regierungsnahe "Faktenpapiere" vor ihr (11) - zum Schluss, dass "bereits in 300 m Abstand der Infraschall aus einer WKA deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegt" und in 700 m Abstand nicht mehr nennenswert den Hinter­grund übersteigt (wie er durch durch den Wind an einer abgeschalteten Anlage entsteht). Diese Aussagen sind durch Arbeiten kompetenter Wissen­schaft­ler wi­der­legt: in 10 facher Anlagenhöhe treten noch erhebliche Infraschalldrucke auf (Abb. 3), und es lassen sich Gehirnbereiche identifizieren, die durch Infraschall unterhalb der Hörschwelle aktiviert werden (Abb. 4). Die ursächlichen Mängel der LUBW-Studie sind bei genauem Hinsehen leicht erkennbar. So wird z.B.
- der gepulste Infraschall der WKA nicht klar vom Infraschall der Umgebung ge­trennt,
- in den meisten Messungen der kritische Bereich unter 8 Hz ganz ausgefiltert,
- keine Messung in Gebäuden durchgeführt (dort ist Infraschall oft sogar stärker wirksam als im Freien, s.o.), und
- die Ausbreitung des Infraschalls über den Untergrund nicht sachgerecht gemes­sen.
Trotz dieser eklatanten Fehlleistungen dient die LUBW-Studie noch immer als eine offizielle Faktenbasis für Gerichte, Politiker und Windindustrie.

Angesichts der Tendenz zur Errichtung immer größerer Windenergieanlagen muss die Gesund­heits­gefahr durch den von ihnen erzeugten Infraschall die nötige poli­tische Auf­merksamkeit erfahren und das Verfassungsgut Gesundheit ausrei­chend geschützt werden. Schutzabstände für Anwohner, mindestens in 10 facher Anla­gen­höhe, sind das einzig wirksame Mittel. Kompetente Ärzte stellen zu Recht fest, dass mit dem gegenwärtigen Ausbau der Windenergie Millionen von Menschen einem Feldversuch ausgesetzt werden, den keine Ethik-Kommission genehmigen würde.

Direkt Betroffene finden immer häufiger den Mut, ihre Gesundheitsschäden offen auszusprechen (z.B. auf http://www.opfer.windwahn.de/, oder in der ZDF-Media­thek: "Unerhörter Lärm" Planet e, Sendung vom 4.11.2018). Eine überhas­tete Ener­giewende, die derartige gesundheitliche Opfer in Kauf nimmt, kann auf Dauer nicht die notwendige Unterstützung der Bürger finden.

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Referenzen
1) Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – Sechste Allgemeine Verwal­tungs­vorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TA Lärm), GMBL 1998, Nr. 26, S. 503-516. Aktualisiert: 01.06.2017 (BAnz AT 08.06.2017 B5).

2) WHO (2018) Environmental Noise Guidelines for the European Region.
ISBN 978 92 890 5356 3.

3) Ceranna L, Hartmann G, Henger M (2017) Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen – Infraschallmessungen an einem Windrad nördlich von Hannover. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Referat B3.11, Seismologie. Stilleweg 2, 30655 Hannover.

4) Bartsch R., Die biologische Wirkung von luftgeleitetem Infraschall, Friedrich Schiller Uni Jena, 2007

5) Nissenbaum, M, Aramini, J, Hanning, D. (2012) Effects of industrial wind turbine noise on sleep and health. Noise and Health International Journal, September-October 2012.

6) Arra I, Lynn H, Barker K, et al. (2014) Systematic Review 2013: Association Between Wind Turbines and Human Distress. Cureus 6(5): e183. doi:10.7759/cureus.183

7) Basner, M, Babisch, W, Davis, A, Brink, M, Clark, C, Janssen, S, Stansfeld, S. (2014) Auditory and nonauditory effects of noise on health. Lancet 383: 1325– 32.

8) Cooper, S. (2014) The result of an acoustic testing program Cape Bridgewater Wind farm 44.5100.R7:MSC; Prepared for: Energy Pacific (Vic) Pty Ltd, MELBOURNE VIC 3000

9) Paller C (2014) Exploring the Association between Proximity to Industrial Wind Turbines and Self-Reported Health Outcomes in Ontario, Canada. MSc Thesis, University of Waterloo, Ontario, Canada.

10) Ärzteforum Emisssionsschutz Bad Orb: Windenergie und Abstandsregelungen, Abstand von Windenergie – eine wissenschaftsbasierte Empfehlung , Bad Orb, 15.12.2014,

11) Kommentar der Ärzte für Immissionsschutz und des Ärzteforum Emissionsschutz Bad Orb zum Entwurf des „Faktenpapier Windenergie und Infraschall“ herausgegeben durch die Hessen Agentur gmbh im Auftrag des hessischen Wirtschaftsministeriums [19], Bad Orb, 17. April 2015

12) AEFIS: Ärzte für Immisionsschutz. Positionspapier zu Gesundheitsrisiken beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ärztekammer Niedersachsen, 24.2.2015. (Inklusive Brief an MP Seehofer)

13) Weichenberger M, Bauer M, Kühler R, Hensel J, Forlim CG, Ihlenfeld A, et al. (2017) Altered cortical and subcortical connectivity due to infrasound administered near the hearing threshold Evidence from fMRI. PLoS ONE 12(4): e0174420. pone.0174420.

14) Vahl, C. F.; Ghazy, A.; Chaban, R. (2018) Are There Harmful Effects Caused by the Silent Noise of Infrasound Produced by Windparks? An Experimental Approach. Thorac cardiovasc Surg 2018; 66(S 01): S1-S110.

15) Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen (Februar 2016). Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg.

16) World Council for Nature (2014) Windfarms, vertebrates, and reproduction. Offener Brief an die Australische Medizinische Gesellschaft, und dortige Referenzen.


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